Das Schwierige an der Bezeichnung ist ja, dass sie so tut, als ob sich Kunst vermitteln liesse. Dabei ist uns wichtig, nicht zu vergessen, dass man das gar nicht kann. Wir können Räume zur Verfügung stellen, in denen die Kinder mit Werken der Kunst und mit Menschen, die mit Kunst zu tun haben, in einen Austausch kommen und sich so – vielleicht – etwas ereignet, was mit künstlerischem Arbeiten zu tun hat.
Die Beschreibung bleibt luftig. Aber anders als im Luftigen ist die Kunst, und damit auch die Kunstvermittlung, nicht ins Spiel zu bringen. Die Qualität dessen liegt vielleicht gerade darin, jene Bereiche aufzuspüren, wo das Sag- und Darstellbare an eine Grenze stossen, wo Erfahrungen oder Einsichten gemacht werden können, die sich nicht wiederum in festgeschriebene Aussagen zurückbuchstabieren lassen. In diesem Sinne geht es in der Kunstvermittlung vielleicht eher um das Unvermittelbare[1].
Für die Arbeit in der Druckstelle behalten wir das im Hinterkopf. Den vorderen Teil unserer Köpfe halten wir uns frei für die Arbeit mit den Kindern. Sie kommen am Nachmittag zu uns, erzählen von der Schule, klagen über Langeweile, haben Hunger, beginnen vielleicht eine Zeichnung, gehen kurz in den Spielboden[2], kommen wieder und möchten jetzt einen Druck machen. Sie bleiben aber beim Vermischen von Farben hängen, daraus entsteht ein Spiel, verschiedene Zettel werden eingefärbt und mit Zeichnungen «Von Dingen, die es nicht gibt» versehen, die Zettel werden zu einer lebensgrossen Figur zusammengeklebt und beim Z’vieri sitzt die auf «Mathilda» getaufte Figur bei uns am Tisch.
Die Wendungen, welche die Prozesse in der Druckstelle nehmen, gleichen in ihrer Bewegung einem hakenschlagenden Hasen, der, einem Worte Josef Beuys folgend, mit Linearitäten bricht und ständig die Richtung wechselt. Das künstlerische Moment unserer Arbeit bezieht seine Energie nicht zuletzt aus jenen unvorhersehbaren ‹Sprüngen›, ‹Übersetzungen›, ‹Brüchen› oder ‹Umkehrungen›. Es wird oft dort produktiv, wo im Zusammenspiel von Zufall und Einfall, sich etwas Widersprüchliches hervortut, etwas aus dem Rahmen fällt, nicht aufgeht oder den gewohnten Gang unterbricht. Das Nichtaufgehende lässt die Strukturen – Vermittlungsformate, Rollenverhältnisse oder die Medien, in und mit denen wir schaffen – brüchig werden. Durch die Klüfte leuchten dann Leerstellen auf, die Imagination gerät in Bewegung, es entsteht Raum für, zum Beispiel, «Dinge, die es nicht gibt».
Die Momente sind selten und kostbar. Und sie sind einmalig, in dem Sinne, dass sie sich nicht wiederholen lassen. Sie fallen einem zu. Jeder Versuch, die ‹Sprünge› aufzuzeichnen, zu verallgemeinern oder daraus eine Regel abzuleiten, schlägt fehl: Der Hase wird immer schon woanders gewesen sein. Zur Kunst, Kunst zu vermitteln gehört das Wissen um die Unmöglichkeit, je eine bewährte Methode zu finden.
Die Herausforderung unserer Arbeit besteht darin, die Kinder in ihrem Schaffen und Sosein abzuholen, mit allem was da dazu gehört – gleichzeitig aber mit einer schwebenden Aufmerksamkeit den Blick auf das zu richten, was dahinter, darunter oder darüber hinaus gehen könnte. Im reflexiven Spiel mit Bildern, Geschichten und Szenen üben wir mit den Kindern einen künstlerischen Blick ein: gemeinsam stellen wir die Welt auf den Kopf und betrachten sie von schräg oben.
Die Sicht, die dadurch frei wird, auf etwas Anderes, Fremdes oder Neues, kann befreiend, trostvoll, vielleicht auch unheimlich sein. Sie lässt erahnen, dass das sogenannt Normale nur ein eng begrenzter, künstlich ausgeleuchteter Teil dessen ist, was wir Wirklichkeit nennen. Unsere Aufgabe in der Druckstelle sehen wir nicht zuletzt darin, an diesen Begrenzungen immer wieder mal sanft zu rütteln.
Mathis Rickli, Mai 25
Den vollständigen Jahresbericht finden sie hier. Eine Papierversion, inklusive im Offset gedrucktes Plakt, können sie gerne hier anfordern.
[1] Vgl. Sturm und Mörsch, «Vermittlung – Performance –Widerstreit».
[2] Der Spielboden ist ein Indoor Spielplatz auf dem Areal
der Aktienmühle.